Zahntechnik und Sozialkompetenz ?

Wieviel Sozialkompetenz braucht die Zahntechnik ?

Ich bin alt genug um mich noch gut daran erinnern zu können, dass mein Vater sich vor vielen Jahren geweigert hat,
eine Privatpreisliste für Privatpatienten,  bzw. private Preise für Extra-Leistungen in seinem Labor einzuführen.

Für Ihn hätte dies bedeutet, dass er für gesetzlich versicherte Patienten “schlechter“ arbeitet als für private Versicherte,
was sich wiederum mit seiner Berufsehre nicht hätte vereinbaren lassen.

„Ich gebe immer mein  Bestes“ war der Wahlspruch und diese Leistungen wurden so auch von den Mitarbeitern erwartet.

Zur damaligen Zeit hat sich der Zahntechniker unter den 10 bestbezahltesten von über 150 Handwerksberufen befunden
und es war betriebswirtschaftlich möglich, wenn auch nicht schlau, sich diesen Luxus zu erlauben.
Mittlerweile rangiert dieser Beruf in der gleichen Tabelle unter den 10 schlechtbezahltesten Handwerksberufen in Deutschland.

Diese oben beschriebene Sozialkompetenz ehrt nicht nur einen Handwerker und Dienstleister, sondern sicher auch jeden Anderen, der mit und für Menschen arbeitet! Auch in diesen Tagen höre ich von Kollegen immer wieder, dass es ja schließlich auch um den Patienten ginge……

Jetzt stelle ich mir diese Frage der Sozialkompetenz einmal anders herum : Hat der Arbeitgeber als Lenker seines Betriebes nicht auch eine Sozialkompetenz und natürlich auch eine Verpflichtung seinen Mitarbeitern und deren Familien gegenüber ? WENN das so ist, wie konnte man dann zulassen, dass die Gehälter der eigenen Mitarbeiter und somit auch die Wertschöpfung im eigenen Betrieb derartig den Bach runter gegangen sind ? Gleichzeitig hat man aber mit ritterlicher Ehrbarkeit weiter für das Wohl des Patienten plädiert und gearbeitet, jedoch das Wohl der eigenen Mitarbeiter und des eigenen Betriebes vernachlässigt ??

GEHT’S NOCH ??

Zahntechniker müssen an die Öffentlichkeit gehen ?

Wie wir in verschiedenen Dienstleistungs- oder Handwerksberufen feststellen können, sind Arbeitsniederlegungen (Sogenannte Streiks) ein durchaus
wirkungsvolles Mittel um die Öffentlichkeit auf Missstände im eigenen Beruf aufmerksam zu machen .

Nun bin ich kein weltfremder Spinner, sondern stehe fest mit beiden Beinen in der Realität. Daher gehe ich nicht davon aus, dass tausende von
handwerklichen Betrieben die untereinander konkurrieren um ihre Marktposition zu behaupten, gemeinsam in einen Streik treten würden.

ABERwenn es die Realität ist, dass wir in nächster Zukunft und in steigendem Maße unter massivem Fachkräftemangel leiden werden.
und wenn es den Tatsachen entspricht, dass aufgrund dessen das Arbeitsaufkommen in den zahntechnischen Betrieben, die heute schon teilweise
mit reichlich Überstunden arbeiten müssen kaum zu bewältigen sein wird…

Warum sollte ein Labor dann nicht klar durch eine „Auswahl“ der angenommenen Arbeiten selektieren und die Wertschöpfung wieder dahin bringen,
dass Gewinne UND Gehälter wieder in eine sinnvolle Größenordnung gebracht werden können?

Wie das gemeint ist ? Es wird in Zukunft immer schwerer werden, ein Labor für die Ausführung einer „Kassen-Bruchreparatur“ (für € 39,- inkl. Versand etc.) zu finden.
Auch die reine „Kassen-Krone“ ohne private Zuzahlung ist oft ein Verlustgeschäft für den Hersteller und wird sich ein Labor suchen müssen, dass noch ZEIT für diese Krone hat.

Ich hoffe all denen, die nach einer gewerkschaftlichen Organisation von Zahntechnikern rufen ist klar, dass die hiermit verbundenen Kostensteigerungen
nicht auf dem Baum wachsen und natürlich an die Verbraucher (Kassen und Patienten) weitergegeben werden müssen.

Selbstverständlich wird eine Verknappung automatisch einen Aufschrei in der Öffentlichkeit zur Folge haben.
WENN
Bahnen oder Flugzeuge stehen bleiben, wenn Kindergärten geschlossen bleiben, wenn der Müll auf den Straßen stehen bleibt….etc.
DANN hört die Öffentlichkeit zu !!
DANN wird Druck auf die Verantwortlichen gemacht !
DANN werden echte Diskussionen erzwungen !

Nicht falsch verstehen :
Keinesfalls wird hier erwartet, dass plötzlich alle Labore an einem Strang ziehen!
Es wird sie weiter geben, die Dumper und die Umsonst-Anbieter, die den alten Metzger-Spruch „Darf es etwas mehr sein“
vollkommen falsch verstehen. Der Metzger meint hier nicht, dass er etwas verschenken möchte, sondern ob es uns etwas ausmacht,
wenn er seinen Umsatz ein kleines bisschen steigert UND wir das bezahlen ?.

Die Frage die sich hier stellt wird sein : Wie lange wird jemand der seine Mitarbeiter unter Niveau bezahlt noch Personal finden um
sich diese Politik leisten zu können?

Wie lange wird es noch Techniker geben, die mit der Argumentation „Ich mag kein NEM polieren“ die Vollverblendung anfertigen,
ohne sie zu berechnen und sich damit selbst in’s Knie schießen?
(Ganz zu schweigen davon, dass sie dabei Vertragsbruch und Abrechnungsbetrug begehen und damit im Extremfall sogar der Korruption Vorschub leisten)

Der Patient im Vordergrund JA – Der Patient sollte immer im Vordergrund unseres Handelns stehen, denn das ist ein Mensch,
der anschließend unsere Produkte als Teil seines Körpers tragen muss.
Meine Handwerker-Ehre sollte darauf abzielen, dass ich hier nicht bewusst oder durch schlampige Arbeit jemanden verletze oder Zustände verschlimmere!

Natürlich frage ich meine Mitarbeiter oder Lehrlinge bei der Endkontrolle, ob sie diese Arbeit mit der scharfen Kante gerne im Mund tragen würden,
die nach kurzer Zeit schon Zunge oder Wange wund werden lassen!
Und selbstverständlich wird diese Arbeit so lange korrigiert, bis sie diesem Anspruch genüge trägt.

Aber :
– Ist es mein Wille, dass der Gesetzgeber die angemessene Leistung einer NEM-Kaufläche diktiert?
– Dass die per Definition ausreichende Leistung für die gesetzlich Versicherten angemessen sein soll, die auf den Zeugnissen der Kinder
direkt vor mangelhaft (5) kommt, was sowohl für Eltern als auch Schüler einer Katastrophe gleichkommt?
– Ist es meine Entscheidung, dass der Patient sich zwar jedes Jahr einen (bis drei) teuren Urlaub leistet, aber statt eines Teleskopes lieber eine Klammerprothese vorzieht?

Oder :
– Ist es eher der zu guten Arbeit der oft unterbezahlten Kunststofftechniker zu verdanken, dass Interimsprothesen, die per Definition nur vorübergehenden Zahnersatz darstellen, Jahre – um nicht zu sagen Jahrzehnte getragen werden um leider allzu oft ihre Spuren im Patientenmund zu hinterlassen?

Wird es besser durch Gewerkschaften ?
Immer lauter wird der Ruf nach Gewerkschaften in den Kreisen der zahntechnischen Arbeitnehmer hörbar.
Mit welchen für Konsequenzen wird dann zu rechnen sein ?

Angestellte in der Zahntechnik erhoffen sich von den Gewerkschaften natürlich bessere Arbeitsbedingungen und bessere Löhne.
Dies ist verständlich und auch absolut wünschenswert!
Aber was werden die Konsequenzen dieser Veränderungen sein?
Zunächst einmal darf man davon ausgehen, dass den Gewerkschaften der „Techniker“ im Namen Zahntechniker ins Auge springen wird.
Technikergehälter siedeln sich allgemein im Bereich oberhalb von € 12,50 an und diesem Zusammenhang folgend, wird sich die Forderung
nach einem Mindestlohn in dieser Größenordnung sicher schnell ergeben.

Wird das jedes Labor bezahlen können ? – Sicher nicht !

Nicht bei den heutigen Preisen und nicht, ohne dass der Patient mehr für diese Leistung bezahlen muss.
Auch die Krankenkassen müssten demzufolge ggf. mit höheren Kosten rechnen, wogegen sie sich garantiert mit Händen und Füßen wehren würden….

Was werden also die Konsequenzen sein? – Entlassungen…. ??
Ich bin mir nicht sicher ob jedem, der hier nach den Gewerkschaften ruft bewusst ist, dass bei der Einführung eines solchen Mindestlohnes
durchaus mit einer Entlassungswelle zu rechnen wäre.
Andererseits höre ich von angestellten Technikern bereits heute, dass der aktuelle Mindestlohn von 8,50 Euro schon nicht eingehalten wird
und die Angestellten dies  aus Angst vor der Arbeitslosigkeit mitmachen.
Auch der Hinweis darauf, dass angeordnete, unbezahlte Überstunden gegen geltendes Recht verstoßen wird abgetan mit dem Argument,
dass man ja froh sein müsse, wenn endlich wieder Arbeit da wäre und das Labor überleben könne…….
Es ist also zu befürchten, dass hier noch mehr Arbeitgeber in die Illegalität abwandern und diese Mindestlöhne durch „Tricksen“ mit den Stundenzetteln unterwandern.
(Dies hat mir unlängst eine Steuerberaterin bestätigt)

Manches Labor wird diese Umstellung sicher nicht überstehen – und diejenigen die „tricksen“ werden noch lange an den Spätfolgen zu knabbern haben!

Denn : jeder ausscheidende Arbeitnehmer oder unzufriedene Angestellte kann auch Jahre später noch dieses Verhalten zur Anzeige bringen
und ohne sich selbst dabei strafbar zu machen, dem Arbeitgeber nachträglich großen Schaden zufügen…..

 

Wird fortgesetzt….