Zukunft in der dentalen Arbeitswelt
Aktuelle Zahlen haben mich veranlasst, meine Berechnungen zu überdenken und zu korrigieren.
Diese Zahlen und meine Einschätzung stelle ich diesem Artikel voraus.
In der oben abgebildeten Grafik wird deutlich, dass beim Fortschreiten des derzeitigen „Demographischen Wandels“ in der Zahntechnik jährlich rund 400 Nachwuchskräfte fehlen werden….
Diese Zahl gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ALLE diese Auszubildenden auch tatsächlich im Beruf bleiben und sich NICHT in andere Berufe verändern oder „weiterentwickeln“, oder sich vor Allem im Falle der weiblichen Mitarbeiter dem Familienleben und dessen Planung zuwenden, denn dann fällt diese Zahl noch viel drastischer aus !!!
Es führt nur EIN Weg aus dieser Misere – Ausbilden – Ausbilden – Ausbilden !!
Wenn die Gesetze des Marktes Angebot und Nachfrage weiter Bestand haben, sollte dies jodoch auch gleichzeitig zu einer enormen Aufwertung dieses Handwerks und damit einhergehend auch wieder zu einer leistungsgerechten Entlohnung führen.
Jeder Labor-Chef mit dem ich spreche berichtet mir von den gleichen Sorgen und auch ich in meinem Labor stehe vor dem gleichen Problem.
Qualifizierte zahntechnische Fachkräfte sind immer schwerer zu finden und der Nachwuchs in der Zahntechnik möchte gerne Kronen, Brücken, ästhetische Implantatvesorgungen, tolle Teleskoparbeiten und schöne Verblendungen machen, aber kaum ein junger Zahntechniker sieht seine berufliche Zukunft in der Totalprothetik. Allerdings werden die Mitarbeiter in der Kunststoffabteilung nicht ewig arbeiten und über den wohl verdienten Ruhestand in leider oft bereits absehbarer Zeit den Arbeitsmarkt verlassen. Dasselbe Phänomen kann man im Übrigen auch im Bereich der Modellgusstechnik beobachten.
Diese Misere kann man aus verschiedenen Gründen erklären und auch verstehen. Zum Einen ist die Kunststoffprothetik von der Seite der Kassenpreise für gesetzlich Versicherte vollkommen unterbezahlt und bei qualitativer Ausführung hier nicht kostendeckend umzusetzen. Zum Anderen wird gerade im Bereich der Totalprothetik und der Komplettierung von hochwertigem, herausnehmbaren Zahnersatz besondere Fachkenntnis und Fertigkeit in den Bereichen Ästhetik, Funktion und Statik von den Mitarbeitern gefordert.
Diese beiden Punkte passen nicht im geringsten zusammen – denn eine schlechte Bezahlung der Leistung passt nicht zu einer besonders feinen Ausführung derselben Arbeit. Hier meine ich übrigens keineswegs eine schlechte Bezahlung der Mitarbeiter, sondern die geringe Wertschätzung der Gesellschaft, die sich hier im Preis auszudrücken scheint.
Da die Bereitschaft zur Ausbildung von jungen Zahntechnikern von den Labors in den vergangenen 20 Jahren deutlich nachgelassen hat und die Schulabgänger heute durchaus googeln, was denn in welchem Beruf verdient wird und wie die Arbeitsbedingungen aussehen, nimmt die Zahl der Beschäftigten in den Labors seit vielen Jahren ständig ab.
Im Bereich der Gerüstherstellung hat sich dieses Problem durch den Einsatz von CAD/CAM-Techniken bereits abfedern oder mindern lassen.
Abbildung1 zeigt einen klaren Trend der in den Innungen gelisteten Labore auf :
Eine stagnierende Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter.
Hierbei ist der deutliche Rückgang von 15% klar ersichtlich in den Jahren 2004 bis 2007 zu verzeichnen, von dem sich dieser Bereich auch nicht wieder erholt hat.
Diese Entwicklung scheint auf eine Verdrossenheit oder „Müdigkeit“ der Laborinhaber bezüglich der Mitgliedschaft in einem kostenpflichtigen Berufsverband, dessen Mitgliedschaft nicht verpflichtend ist, zurückzuführen sein. Geht es hierbei wirklich nur um das Sparen der Mitgliedsbeiträge?
Vielleicht ist dies aber auch ein Zeichen, dass sich viele Betreiber von Laboratorien sich durch die Innungen nicht zufriedenstellend vertreten fühlen.
Oder ist es vielleicht gerade die gestiegene Zahl der jungen, neuen Laborbetreiber (Abb.29) , die es nicht einsehen, diesem Verband beizutreten und hier Beiträge zu entrichten?
Ausbildung in der Zahntechnik…….
Abbildung 2 zeigt ein anderes Bild auf:
Während in den 18 Jahren von 2002 bis 2015 die Zahl der zahntechnischen Betriebe um 8,4% gestiegen ist, hat sich die Zahl der Beschäftigten mur um 4,2% nach oben bewegt.
Diese Statistik belegt deutlich, dass sich Zahntechniker selbständig machen und dann natürlich auch als „junge“ Selbständige persönlich einen höheren Arbeitseinsatz im eigenen Betrieb erbringen um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, oder auch nur um „überleben“ zu können.
Gleichzeitig zeigt diese Statistik aber auch, dass in die Zahl der Auszubildenden in unserem Beruf um 35,2% gesunken ist.
Betrachtet auf die Zahl der Betriebe wird das Bild nochmal deutlich krasser
Während im Jahr 2002 noch durchschnittlich 1,14 Auszubildende je Betrieb zu verzeichnen waren, gab es 2015 gerade noch 0,68 Lehrlinge je Betrieb, was rein rechnerisch betrachtet einen Rückgang von 40.3% darstellt.
Personalmangel ?
Es dürfte klar sein, dass die Quittung für dieses “Ausbildungsverhalten“ nicht lange auf sich warten lassen wird. Die Techniker in den Betrieben altern und wer soll ihnen dann nachfolgen ?
Derzeit gibt es bei der Agentur für Arbeit knapp 1.200 freie Stellen für Zahntechniker, denen quasi keine arbeitssuchenden Fachkräfte gegenüber stehen.
Dies dürfte nur der erste Tropfen auf dem heißen Stein sein, denn während der Bedarf an Zahnersatz steigt, werden trotz Auslandszahnersatz und steigender Technisierung in der Herstellung desselben, qualifizierte Arbeitskräfte fast so sehr gesucht wie noch in den 80er Jahren.
Von den Lehrlingen die derzeit ausgebildet werden, wird ein Teil in die Industrie abwandern, ein anderer, großer Teil sind weibliche Auszubildende, die dem Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nachwuchsbedingt zumindest vorübergehend fehlen werden und ein weiterer Teil sieht die Ausbildung zum Zahntechniker als Sprungbrett oder Überbrückung zum Studium.
Und wer sollte es den Beschäftigten verübeln, wenn sie in anderen Branchen oder gar im Praxislabor als hoch qualifizierte Fachkräfte auch dementsprechend entlohnt werden, weil die Margen und Gewinnspannen dies erlauben ?
Die Abbildungen 3 & 4 belegen, dass die durchschnittliche Steigerung der Gehälter in der Zahntechnik gerade einmal 0,72% im Jahresmittel in den vergangenen 22 Jahren betragen hat, während die Gehälter in den übrigen Produzierenden und Dienstleistungs-Gewerben jährlich durchschnittlich um knapp 3% gestiegen sind.
Das bedeutet, dass in der Zahntechnik nicht einmal der Inflationsausgleich stattgefunden hat und die Zahntechniker in den letzten 30 Jahren vom Platz 4 der bestbezahltesten Handwerksberufe auf Platz 146 von 152 nach unten hin durchgereicht worden sind.
Auf der IDS hatte ich das Vergnügen mit Kassenvertretern zu reden, die immer noch nicht begriffen haben, dass es in Deutschland zu wenige Zahntechniker gibt und diesbezüglich ein Mangel herrscht. Diese Menschen führten zu Recht an, dass es im europäischen Vergleich bezogen auf das Verhältnis Zahnarzt-Zahntechniker nirgends eine so große Zahl von Zahntechnikern gäbe.
Dass wir in Deutschland einen komplett anderen Lebensstandard – gerade im Gesundheitswesen haben als in vielen anderen europäischen Ländern und es sich hierzulande niemand der in der Öffentlichkeit oder im Kundenverkehr arbeitet, leisten kann mit Zahnlücken herumzulaufen wurde hierbei vollkommen übersehen!
Auch, dass es in verschiedenen Ländern zur “befundorientierten Extraktion“ führt, damit der Patient in den Genuss der Bezuschussung von Prothetik kommt wie im Beispiel Holland, wo fast ausschließlich Totalprothetik von der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen wird und sozial schwachen Patienten kaum ein anderer Ausweg bleibt als sich Zähne ziehen zu lassen, welche bei uns als erhaltungswürdig gelten würden.
Auch dieser Artikel wird fortgesetzt …….
Ich hoffe, dass Ihnen dieser Artikel gefällt – nicht der Inhalt, denn der gefällt mir auch nicht, – aber die Offenlegung der Tatsachen.
Ihr
Michael Anger